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Pressestatement vom Bundeskanzler Olaf Scholz zum Besuch in der Sozialistischen Republik Vietnam am 13. November 2022 in Hanoi

Bundeskanzler Scholz reist nach Vietnam

Olaf Scholz, Bundeskanzler, und Pham Minh Chinh, Premierminister der Sozialistischen Republik Vietnam, geben eine gemeinsamene Begegnung mit der Presse im Amtssitz des Premierministers in Hanoi, 13.11.2022., © Bundesregierung/Janine Schmitz

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Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte am 13. November 2022 die vietnamesische Hauptstadt Hanoi. Nach einem Gespräch mit dem vietnamesischen Premierminister Pham Minh Chinh erklärte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem vietnamesischen Premierminister folgendes:

Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Herr Chinh, ich möchte mich sehr für den freundlichen Empfang hier in Hanoi bedanken. Er zeigt, welche Bedeutung wir den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und der internationalen Zusammenarbeit beimessen. Gerade in diesen Zeiten ist das sehr wichtig.

Deutschland und Vietnam pflegen seit vielen Jahrzehnten nicht nur eine enge Kooperation ‑ auch persönlich gibt es enge Verbindungen. In Deutschland leben etwa 180 000 Vietnamesinnen und Vietnamesen sowie Deutsche vietnamesischer Herkunft.

Seit mehr als 10 Jahren besteht auch eine strategische Partnerschaft. Alle zwei Jahre vereinbaren wir dabei ‑ wie jetzt wieder ganz aktuell ‑ einen Aktionsplan mit wichtigen Vorhaben, die wir gemeinsam angehen wollen. Darüber haben wir eben ausführlich gesprochen.

Ganz konkret geht es zum Beispiel um die Vietnamesisch-Deutsche Universität und die geplante neue Metro-Linie in Hanoi, die mit deutscher Beteiligung gebaut werden soll. Als früherer Bürgermeister weiß ich sehr genau, wie wichtig solche Projekte für die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt sind, und auch, wie langwierig ihre Planung sein kann.

Wir haben auch über die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen gesprochen. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine erleben wir eine Zeitenwende. Als Konsequenz müssen wir unsere Absatzmärkte, unsere Lieferketten, unsere Rohstoffquellen und unsere Produktionsstandorte erweitern, damit wir nicht von einzelnen Staaten oder Lieferanten abhängig sind. Da spielt die Zusammenarbeit mit Vietnam eine ganz, ganz zentrale Rolle.

Vietnam ist ein wichtiger Partner für uns und unsere Unternehmen. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam, das seit 2020 in Kraft ist, liefert eine gute Grundlage dafür, unsere Wirtschaftsbeziehungen zu verbreitern. Dafür sind drei Dinge wichtig:

Wir brauchen rechtssichere Bedingungen für Investitionen in Vietnam. Für die Unternehmen ist das fast eine der zentralen Herausforderungen bei ihrer Investitionstätigkeit. Deshalb ist es wichtig, dass dort alle Bemühungen unternommen werden, dass man sich auf Vereinbartes und auf Gesetze und Regelungen ganz konkret immer verlassen kann. Wir brauchen zweitens die konsequente Umsetzung des verabredeten Abkommens und drittens eine enge Zusammenarbeit bei Berufsausbildung und Fachkräfteaustausch. Es ist ja bekannt, dass unverändert viele Arbeitskräfte aus Vietnam in Deutschland eine berufliche Zukunft suchen, und dazu sind auch Vereinbarungen abgeschlossen worden, mit denen die Bundesagentur für Arbeit und die hiesigen Behörden diese Entwicklung weiter befördern wollen.

Ein weiterer Schwerpunkt unseres Gesprächs war die Zusammenarbeit beim Klimaschutz und zur Energiewende. Vergangene Woche erst habe ich darüber bei der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh gesprochen. Wir wissen, dass Vietnam mit seiner langen Küstenlinie und dem Mekong-Delta zu den weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern gehört. Wir wissen auch um unsere besondere Verantwortung im Hinblick auf das Gelingen einer Energiewende und im Hinblick darauf, was zu tun ist, CO2-Einsparungen zu unterstützen. Deshalb freuen wir uns sehr über den Start des vietnamesisch-deutschen Energiedialogs in diesem Jahr als Plattform für den Austausch über Herausforderungen und Chancen der Energiewende in unseren Ländern.

Eine sozial gerechte Energiewende vorantreiben soll auch die JETP, die Just Energy Transition Partnership ‑ über die schon gesprochen worden ist ‑ des G7-Kreises mit ausgewählten Ländern. Wir hoffen, dass wir diese Partnerschaft mit Vietnam mit sehr ambitionierten Zielen bald vereinbaren können. Das ist ein gutes Projekt enger, konkreter Kooperation.

Wir haben natürlich auch offen über die Punkte gesprochen, bei denen wir unterschiedliche Auffassungen haben; auch das ist fester Teil unserer strategischen Partnerschaft. Dazu gehören unsere Sorgen über die Lage von Zivilgesellschaft und Menschenrechten und natürlich auch über die Spielräume, die Organisationen haben, die sich etwa in Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes engagieren. Auch was die politischen Stiftungen betrifft, gibt es Schwierigkeiten, die wir besprochen haben. Wir setzen darauf, dass der Dialog und der Austausch über die ganz konkreten Fragestellungen auch konkrete Verbesserungen ermöglichen wird.

Ich will noch einmal auf den russischen Angriffskrieg zu sprechen kommen. Er stellt nicht nur eine Attacke auf die Ukraine dar, sondern er stellt die gesamte internationale regelbasierte Ordnung und den globalen Frieden infrage. Deutschland und Vietnam teilen das Interesse an der Geltung und Durchsetzung des internationalen Rechts. Das gilt im südchinesischen Meer und im Hinblick auf die Beachtung internationaler Vereinbarungen des Seerechts, aber es gilt eben auch ganz generell. Das internationale Recht ist die Grundlage für Frieden, aber auch für die Stabilität und den Wohlstand unserer beider von freien und offenen Handelswegen abhängigen Ländern.

Von Vietnam wünschen wir uns deshalb auch eine klare Positionierung in dieser Frage. Es handelt sich bei dem russischen Angriffskrieg um einen Bruch des Völkerrechts mit gefährlicher Präzedenzwirkung. Kleine Länder können nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn. Auch in der Region des Indopazifiks muss die Stärke des Rechts gelten, nicht das Recht des Stärkeren.

Deutschland und Vietnam unterstützen zudem die Regionalorganisation ASEAN als zentralen Akteur für eine regelbasierte Ordnung, Kooperation und mehr Gleichgewicht in der Region. Das sind alles Ziele, die wir teilen, und ich freue mich auf den ersten EU-ASEAN-Gipfel nächsten Monat in Brüssel.

Sehr geehrter Herr Premierminister, unsere beiden Länder haben sehr von Öffnung und von Offenheit profitiert. Die Bürgerinnen und Bürger Vietnams und Deutschlands profitieren sowohl von unserer Partnerschaft als auch von einer stabilen internationalen Ordnung. Für beides ‑ bilaterale Partnerschaft und regelbasierte internationale Ordnung ‑ wollen wir gemeinsam eintreten. Darüber haben wir heute gesprochen und daran werden wir auch weiter mit ganz konkreten Projekten, die wir voranbringen wollen, arbeiten.

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